Der Frost in Franken

Headerbild Frost

Wir sind zu Besuch bei Laura Seufert vom gleichnamigen Weingut in Iphofen. An einem erstaunlich frischen und windigen Tag im Juli zeigt sie uns ihre gepflegten Weinberge. Wir entdecken allerlei Pflänzchen zwischen den Reihen, freuen uns über eine Filzklette. Gedüngt wird gar nicht, der benötigte Stickstoff kommt über den kultivierten Ölrettich, Lupine und Luzerne, über Rotklee und vieles mehr in den Boden. Dieser nicht nur auf den ersten Blick wunderschöne Weinberg steht so schon seit 1978, wenn Lücken entstehen zieht Vater Seufert junge Pflanzen aus den alten Rebstöcken. Geerntet werden hier normalerweise kleine, aber sehr gehaltvolle Trauben.

 

Laura Seufert

Doch dieses Jahr ist alles anders: Der Frost schlug zu, zwei Nächte war es unter 0 Grad Celsius in Franken, zwischen dem 11. und dem 13. Mai – „alles, was in der ersten Nacht einen Knacks bekommen hat, wurde in der zweiten Nacht erledigt“, sagt Jungwinzer Nick Hanel. Er erinnert sich, wie es am Montag durchgehend regnete, sie alle die Wetternachrichten verfolgten, es aber ungefährlich aussah. Dann meldete die Tagesschau um elf Uhr nachts -3 Grad für den Raum Würzburg. Noch bestand Hoffnung, dass sie lokal vom Frost verschont bleiben könnten, doch als Nick früh um 6 Uhr in Iphofen die Haustür öffnete, sah er Raureif auf den Dächern und wusste, dass sie verloren hatten. Manche Winzer*innen rettete Nebel, in Iphofen und Kitzingen dagegen hatte es in der Nacht aufgeklart. Der zuvor gefallene Regen tat sein Übriges.

Wie Artur Baumann vom Weinbauring Franken dem Donaukurier erklärt: Nach den Frösten 2011 und 2017 wäre es dieses Jahr besonders hart gewesen, weil kurz zuvor bis zu 25 Liter Regen pro Quadratmeter fielen. Bei Trockenheit könnten die Stöcke auch bis zu minus 2,5 Grad verkraften. Bei Nässe hinterlassen schon minus 0,5 Grad Schäden.

Wie sehen die Schäden aus? Nick berichtet, dass die, wegen der großen Wärme im April schon auf über 10 cm gewachsenen, Triebe abstarben. In den Junganlagen wären die Triebe sogar schon ausgebrochen worden - hier würde man höchstens noch mit Seitentrieben arbeiten können. Bei den alten Weinstöcken hoffen die Winzer*innen auf die sogenannten Geiztriebe und eine zweite Generation Trauben.

Frostschaden in Franken

Laura hat sich schon an die neue Situation angepasst. Sie berichtet, dass sie dieses Jahr wohl keine Erntehelfer bräuchten, die sie normalerweise mit Andi Weigand vom befreundeten Weingut Weigand zusammen anheuert, das würde sich für die kommende Saison kaum lohnen. Statt Erntestress könnte es eher eine Art Ostereiersuche werden – frei nach dem Motto „Habt ihr auch richtig gesucht?“ Laura verkörpert offensichtlich den Teil der Menschheit, der das Glas halbvoll und nicht halbleer sehen. Sie sagt: „Was noch hängt, wird gute Qualität haben – darauf kann man sich freuen.“ Wir bewundern sie für ihre Haltung und das tiefe Einverständnis mit der Natur, das sie im Umgang mit ihren Weinbergen pflegt.

„Das erdet Dich total“, sagt auch Andi im Rückblick auf diese Alptraumnacht, bei der mindestens 50 % seiner Ernte verloren gingen. Sein Vater, Werner Weigand, sei in den ersten Morgenstunden rausgefahren und meldete dem Sohn „es sieht schlecht aus“. „Wenn der Papa sagt, es sieht schlecht aus, dann sieht es sehr schlecht aus“, berichtet Sohn Andi, der am liebsten gar nicht sehen wollte, was der Frost angerichtet hat. Er macht sich unter dem Stichwort FROSTration auf Instagram Luft und verflucht dieses Jahr, das ihnen zu den großen Einbußen wegen Corona nun auch noch den Frost brachte.

Auch Laien sehen auf den Bildern, die die Winzer*innen auf Instagram posten, sofort wie schlimm es ist. Hunderte Follower, Freunde und Bekannte nehmen Anteil und leiden mit. Ich sehe die Fotos zuerst bei Michael Völker und Melanie Drese aka 2Naturkinder, deren Weinberge rund um Kitzingen liegen. Da können einem schon einmal vor Schreck die Tränen kommen. Nahezu 70-80 % Ernteausfall lautet die erste Bilanz, nachdem Michael den Schaden besehen hatte. In Kitzingen hatten sie es mit Windfrost zu tun, der die Hänge erwischte, während in Iphofen der Bodenfrost zu einem Problem in den Senken wurde. Michael ist ein eher stiller Typ, leidet für sich. Später wird er die Geschehnisse für sich einordnen können – in den ersten Tagen überwiegt der Schmerz. Natürlich geht es um Geld, aber viel mehr noch um die gehegten und gepflegten Schützlinge, denen das ganze Jahr über die Aufmerksamkeit gehört. Melanie ist erstaunlich gefasst und schreibt mir: „Wir werden wie üblich einen Plan entwerfen und dann einfach weitermachen. Das ist schon immer so gewesen, daran ändert der Frost auch nichts. Wenn wir Glück haben, werden wir hoffentlich 30 % retten können.“

 

 

Die Naturwein-Winzer*innen sind gut vernetzt untereinander, man ist sich weniger Konkurrenz als dass man sich als eingeschworene Gemeinschaft versteht, und so melden sich selbstverständlich auch sofort die Kollegen aus Rheinhessen auf die Hiobsbotschaften aus Franken. Jason Groebe vom Weingut Bergkloster in Westhofen bietet Hilfe an, auch Andi Mann vom gleichnamigen Weingut in Eckelsheim meldet sich. In Rheinhessen ist Frost normalerweise weniger Thema, hier sind dafür Hitze und Trockenheit über längere Zeitspannen eine Herausforderung. Traditionell liegen in Rheinhessen die Erträge viel höher als in Franken, auch bei den biologisch wirtschaftenden Naturweinwinzer*innen. Egal, wie die Hilfsangebote konkret ausfallen, auch die moralische Unterstützung von Gleichgesinnten hilft in Momenten, an denen man am liebsten hinschmeißen würde. Und von Rückschlägen können alle berichten – die Feinde einer guten Ernte sind zahlreich, aber immer auch wieder bezwingbar. Gemeinschaft treibt an. Aufgeben gilt nicht!

Ist man als Winzer*in dem Frost eigentlich hilflos ausgeliefert, oder welche Gegenmaßnahmen gibt es, frage ich Nick, der sowohl für Andi Weigand als auch die 2Naturkinder arbeitet. Ich erinnere mich, dass er während seiner Ausbildungszeit die Nacht über die Feuertöpfe bewachte und die Ernte gerettet werden konnte. Ja, sagt er, dass kann man in einem kleinen Weinberg schon versuchen, aber es sei teuer und natürlich personalaufwendig – es muss ständig jemand dabei sein und das ist nur im Schichtwechsel, also mit mehreren Personen, möglich. Die Feuertöpfe müssen alle 5 m in jeder zweiten Zeile stehen. Eine weitere, allerdings extrem teure und aufwendige Methode ist Beregnung, die die Pflanze in der Folge in eine Eisschicht hüllt, die sie vor dem Frost schützt. Helikopter-Luftverwirbelung, die gegen Staufrost in Mulden hilft, ist der größtmögliche Einsatz – und stünde im krassen Gegensatz zu den Prinzipien der biologisch wirtschaftenden Naturwinzer – ein absolutes No-Go also und hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Bei Andi Weigand nachgehakt, ob es denn keine Versicherung gegen Frostschaden gäbe und wie da eventuell die Konditionen seien, bekomme ich eine ganz klare Ansage: die Versicherung ist zu teuer für kleinere Weingüter, die laufenden Kosten über die Jahre stünden in keinem Verhältnis. Lieber kalkuliere man alle 7 Jahre einen Totalausfall ein, als sich dann im Zweifelsfall auch noch mit der Versicherung streiten zu müssen, wieviel Prozent genau denn nun Ausfall wären. Zumindest das Problem, dass die Versicherungen gegen Ernteausfall zu kostenintensiv sind, wurde im Zuge der Frostschäden nun wohl auf politischer Ebene erkannt: Der bayrische Staat will ab 2021 ein Förderprogramm auflegen, das Obstbauern und Winzern finanziell beim Abschluss einer Versicherung gegen Frost und Starkregen unterstützt.

Wie geht es denn nach so einem Frost-Desaster eigentlich im Weinberg weiter? Tatsächlich wird es nicht weniger Arbeit, sondern mindestens genauso viel. Die Rebstöcke müssen selbstverständlich weiter gepflegt werden, die Weinberge sehen nach einiger Zeit wieder völlig normal aus – aber es hängen so gut wie keine Trauben darin. Ohne das Vorwissen über die Frostnächte ein gespenstischer Anblick. Die Lese wird später als mittlerweile üblich beginnen. Ich drücke die Daumen, dass wahr wird, was Laura sagt und zumindest die Qualität stimmt! Die engagierten Naturwein- Winzer*innen hätten es mehr als verdient.

Stephanie Hanel