Hilfe, mein Wein hat Fehler!

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Naturweine werden nicht durch invasive Eingriffe wie Filtern oder Schwefeln zur Stabilität gezwungen. Für Winzer*innen und Händler*innen bedeutet das: Sie können kein 100% fehlerfreies Produkt garantieren.

Doch es gibt Möglichkeiten, das Risiko sogenannter “Weinfehler” zu minimieren. Bei den Winzer*innen gehören dazu gesunde und ausgewogene Weinberge – und eine gründliche Kellerhygiene.

Welche Weinfehler könnten euch dennoch begegnen, und wie ist mit ihnen umzugehen?

Die meisten Weinfehler haben ihren Ursprung im Weinberg. Ein unausgeglichener Weinberg kann Symptome von Mangel, oder Überschuss, im Wein verursachen. Ebenso erzeugt eine mangelnde Biodiversität im Weinberg Lücken im Ökosystem, die zu Fäulnisbakterien im Wein führen können. Durch den Alkohol wird der Wein vor – für den Menschen – schädlichen Bakterien geschützt. Ungefährliche Bakterien wie Brettanomyces aber – bekannt aus der Bierherstellung – können in hohen Konzentrationen unerwünschte Geschmacksnoten erzeugen.
Für Händler und Käufer von Naturwein liegt die Verantwortung für die Stabilität in der Lagerung auf der Flasche und im Anbruch.

Korrekterweise müsste noch zwischen Weinfehlern und Weinkrankheiten unterschieden werden, ich erlaube mir allerdings, diese zusammenzufassen.

Linder Wein

Umgangssprachlich “öliger Wein”; erkennbar an erhöhter Viskosität, das Spektrum reicht von Sirup über Öl bis zu Honig.

Chemisch betrachtet sorgen Milchsäurebakterien, meist aus der malolaktischen Gärung, für eine Polypeptidkettenbildung. Diese können durch maschinelles Einwirken, wie Rühren oder Filtrieren, zerbrochen werden, doch benötigt der Wein danach eine Schwefelzugabe, da er sonst nicht mehr stabil wäre. Deshalb sollte der Wein lieber Zeit bekommen, damit sich die Ketten von selber lösen. Zu warme, inkonstante Lagerung und Licht begünstigen die Entstehung dieser Ketten. Solltet ihr - angenommen - einen 6er Karton eines Weines haben und merkt bei der ersten Flasche, dass er zu höherer Viskosität neigt, empfiehlt es sich den Rest des Kartons für ein halbes bis ganzes Jahr im Keller zu vergessen. Bei richtiger Lagerung sollte sich das Problem dann erledigt haben.

Mäuseln

Einer der bekanntesten und doch am wenigsten erforschten Weinfehler.

Zunächst ist zu sagen, dass Mäuseln nicht zu schmecken, oder wirklich zu riechen ist. Es handelt sich um ein retronasales Phänomen.
Es wird sehr wahrscheinlich durch Bakterien verursacht, und durch Sauerstoff katalysiert. Hierbei handelt es sich aber um ungesichertes Erfahrungswissen, da die diesbezügliche Forschung recht gering ist, denn auch dieser Fehler kann durch eine Schwefelgabe verhindert werden.

Mäuseln äußert sich als dumpfer Nachhall in Mund und Nasenraum. Die Aromen können bei konzentriertem Ausatmen durch die Nase präzisiert werden. Die Interpretation ihres störenden Charakters sind weinspezifisch und individuell. Sie bewegen sich in einem Spektrum aus Fleischaromen, Räucheraromen und schal-oxidativen Aromen.
Bei Mäuseln hilft leider nur eins – schnell trinken!

 

Flüchtige Säure

Eine "besondere Note"

In feinen Dosen kann sie charmant anmuten, dennoch kann sie auch schnell allen Trinkspaß verderben. Das aromatische Spektrum bewegt sich zwischen feinwürzigem Salatdressing, Lacknoten, und purem Essig. Die Bildung von “flüchtiger”, respektive Essig-Säure auf der Flasche ist äußerst unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Die Hauptverantwortung tragen dennoch die Winzer*innen, da Essigsäure sich von Zucker ernährt, und sich durch unsauberes Lesegut, und unzureichende Kellerhygiene manifestieren kann. Wir als Winzer*innen sind also in der Verantwortung, den Weinen die optimalen Rahmenbedingungen zu gewährleisten, um sie sauber durch die Gärung und Reifung erwachsen zu lassen. Nur so können wir die Weine sorglos Füllen und sie auf eine sichere Reise schicken.

Brettanomyces

Das ambivalente Bakterium (“ein bisschen Brett ist nett”)

Dieser Bakterienstamm wird vor allem in der Braukunst verwendet. Zumeist sind ihre Aromen in Craft Bieren, IPAs, Lagern, und Goosen zu finden. Im Wein kann er spontan auftreten, ist aber nur in feinen Dosen genießbar. Bei “Brett” verhält sich die Aromatik linear zur Konzentration. Die Skala beginnt bei gewürzähnlichen bis heuartigen Aromen, und endet bei animalisch-stalligen Aromen. Sollte sich deren Konzentration im Keller als zu hoch erweisen, arbeiten die Winzer*innen zumeist mit Verschnitten, um die Skala etwas gen Anfang zu bewegen. Dort können die Aromen im Zusammenspiel mit dem Charakter des Weins durchaus angenehm sein.



Deprimierender Artikel für alle Naturweinenthusiasten - ich weiß. Ich bin mir auch bewusst, dass dieser Artikel bei einigen von euch Zweifel gesät, oder verstärkt haben könnte. Dennoch, oder gerade deshalb, sehen wir es bei der Naturweinwelt als unsere Aufgabe, über potenzielle Probleme und Schwächen von Naturwein aufzuklären, um Enttäuschungen zu vermeiden, und Hilfestellung im Umgang mit Naturwein zu leisten.
Also schön mutig bleiben, und den Trinkspaß behalten!

Nick Hanel